AUS DER REIHE > Der Waldwolf liest <

Kirsten Klein: EUPHEMIA IN PFORZHEIM

Warum stiehlt sich die Novizin Jutta nächtens aus dem Dormitorium, was treibt sie?
Warum kasteit sich die greise Nonne Gottfrieda über Gebühr?
Welche Schuld lastet auf der verhuschten Barbara?

Das und noch mehr fragt sich Ursula von Eulenburg, neu im Pforzheimer Dominikanerinnenkloster, um die Buchmeisterin in der Bibliothek zu unterstützen.
Eins haben alle gemeinsam: die Verehrung der heiligen Euphemia, die Mitte des 14. Jahrhunderts als „Gertrud von Köln“ nach Pforzheim kam – in Wahrheit aber eine englische Königstochter war, geflohen vor einer ungewollten Vermählung.
Durch den Fingerzeig einer Madonnenstatue findet Ursula eines Nachts Euphemias Chronik, hinter dem Hochaltar – und lernt bei der Lektüre die Königstochter abseits der Überlieferung kennen. Ungeheuerliche Wahrheiten fügen sich zu einem erschütternden Mosaik, dessen Tragweite ins aktuelle Klosterleben hineinragt und in einer Katastrophe zu münden droht.
Ursula greift ein und versucht Schlimmstes zu verhindern.

DIE ENGLISCHE KÖNIGSTOCHTER

Im Frühjahr 1407 kommt die junge Nonne Ursula von Eulenburg ins Pforzheimer Dominikanerinnenkloster, um die hochbetagte Buchmeisterin Luitgard in der Bibliothek zu unterstützen.
Bald bemerkt Ursula: Einige Nonnen verhalten sich merkwürdig, als schwelten unausgetragene Konflikte zwischen ihnen.
Gottfrieda, allseits ebenso geachtet wie gefürchtet, bekleidet das Amt der Schaffnerin und vermeidet jede in ihren greisen Augen unnötige Anschaffung. Welche Schuld lastet auf ihrem gramgebeugten Rücken, den sie nächtens weit über Geführ kasteit? Warum ist Gottfrieda der nur wenige Jahre jüngeren Barbara, die einst als fünfjährige Oblate ins Kloster kam, so abgeneigt? Und warum stiehlt sich die Novizin Jutta nachts heimlich aus dem Dormitorium?

Vor dem Hochaltar in der Klosterkirche ist eine Frau bestattet, die sich Mitte des vorigen Jahrhunderts unter dem Namen „Gertrud von Köln“ als Wäscherin im Kloster verdingte – bis ein Pilger aus dem Morgenland sie in einer Vision wie in Gold gekleidet sah und den Nonnen davon erzählte. Seither wird sie als Heilige verehrt, die durch Fürbitte bei Gott sogar Kranke heilen kann.

Unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit vertraute sie damals einer Nonne an, sie hieße in Wahrheit Euphemia und sei eine Tochter Königs Edward III. von England. Um einer ungewollten Vermählung zu entgehen, sei sie geflohen und über Köln nach Pforzheim gelangt. Das geschah unter geheimnisvollen Umständen. Auch die Ursache für ihren Tod liegt im Dunkeln.

Die Madonnenstatue aus dem Nonnenchor erscheint Ursula eines Nachts im Traum. Von ihr geleitet, entdeckt sie hinter dem Hochaltar, unter einem losen Stein, Euphemias Chronik.
Bei deren heimlicher Lektüre lernt Ursula die Königstochter abseits der Überlieferung kennen. Seite für Seite schließen sich ihr neue Erkenntnisse, die eine ungeheuerliche Wahrheit enthüllen. Manch vermeintliche Ungereimtheit fügt sich allmählich in ein erschütterndes Mosaik, dessen Tragweite ins aktuelle Klosterleben hineinragt und in einer Katastrophe mündet. Ursula greift ein und versucht Schlimmstes zu verhindern.


Auszüge aus dem RomAN

Seite 1 (im Nonnenchor der Klosterkirche, Pforzheim, Frühjahr 1407)

Kerzenlicht flackerte über Juttas Gesicht. Ursula von Eulenburg erhaschte einen Blick darauf, schaute aber gleich wieder auf ihre im Schoß vereinten Hände und lauschte dem Gesang der Vorsängerin, wie es sich während der Matutin geziemte.
Doch ihre Gedanken blieben bei Jutta von Eckstein. Der flüchtige Blick ins Gesicht der Novizin hatte genügt, um in Ursula ein Gefühl zu bestärken, das sie schon seit geraumer Zeit umtrieb: Jutta barg in sich ein Geheimnis.
Ursula fragte sich, wer ihr das eingab. Wer sprach da in ihrer Seele zu ihr – Gott oder …? Wenn es Gott war, so musste er einen wichtigen Grund dafür haben. Was sollte sie für ihn tun? War es wirklich gottgewollt, dass sie Jutta beobachtete? Oder gaukelte ihr die Neugier etwas vor – wie schon so oft? Sie wollte sich doch nicht mehr von ihr verleiten lassen, seitdem sie im Pforzheimer Dominikanerinnenkloster war.
Inzwischen war die Vorsängerin verstummt. Gedanklich immer noch abwesend, verpasste Ursula fast den Einsatz des Chores. Obendrein versperrte ein Kloß im Hals ihrer Stimme den Weg. Sonst klang sie hell und klar, jetzt rau. Ursula fröstelte, mehr als sonst. Sie schob es auf die hier noch herrschende Winterkälte. Dicke Klosterwände trotzten milden Frühlingslüften. Außerdem war es in den frühen Morgenstunden nach Mitternacht oft besonders frisch.
Doch dieses Frösteln war anders als gewöhnlich während der nächtlichen Stundengebete. Es fühlte sich an wie das Vorzeichen einer beginnenden Erkältung. Ursula brachte keinen Ton mehr heraus.
Unweigerlich huschte ihr Blick wieder zu Jutta. Deren Gesicht wirkte noch schmaler, noch blasser als sonst. Beim Nachtmahl hatte die ohnehin zarte Jungfer kaum einen Bissen zu sich genommen. Jetzt mutete ihre Haut geradezu durchsichtig an. Um Lider und Mundwinkel zuckte es nervös. Aber diesen Eindruck mochte das flackernde Kerzenlicht erzeugen – vielleicht.


Seite 64 (aus Euphemias Chronik, Juni 1346)

Am Abend vor meiner Flucht ging ich früh zu Bett, weil ich ausgeschlafen aufbrechen wollte. Der Wind rüttelte an den Fensterläden. Aber ich war ohnehin viel zu aufgeregt und fiel erst lange nach Mitternacht in einen unruhigen Schlaf. Mir war, als ob ich träumte, obwohl ich keine Bilder sah. Dafür plagten mich schmerzhafte Bauchkrämpfe, in rhythmisch aufeinanderfolgenden Wellen. So oberflächlich mein Schlaf auch war, ich konnte nicht aufwachen. Immer heftiger und unerträglicher wurden die Schmerzen. Ich krümmte mich und stöhnte, konnte aber einfach nicht aufwachen.
Dann – ganz plötzlich – war mir, als ob etwas aus mir herausflutschte. Mein Schmerz? Ich wusste es nicht, jedenfalls war er weg. Erschöpft sank ich in einen tieferen Schlaf und verpasste prompt den ersten Hahnenschrei.
Als ich erwachte, schwebte über mir eine blitzende Messerklinge. Ich blickte in das Gesicht meiner Magd. „Hier nehmt das“, flüsterte sie mit entschlossener Miene. „Ihr könnt es vielleicht irgendwann gebrauchen.“
Ich richtete mich im Bett auf, rieb mir die Augen und nahm das Messer. Geistesgegenwärtig hatte meine kluge Freundin vorgesorgt. Sie trug mein Kleid und sagte, sie sei vorhin von Miss Alexia auf der Treppe gesehen und aus der Entfernung mit mir verwechselt worden.
Ich sprang aus dem Bett, steckte das Messer in den Sack, zog das geflickte Kleid an, stopfte mein hüftlanges Haar unter die dazugehörige Haube und band den Lederbeutel mit Münzen und Geschmeide an den Gürtel. Mein Schiff mochte zwar noch am Kai der Themse vor Anker liegen, doch im Schutz der Dunkelheit konnte ich mich nicht mehr davonstehlen. Die wurde bereits von der aufgehenden Sonne vertrieben.


Seite 69 (aus Euphemias Chronik, Juni 1346, zu Beginn ihrer Flucht)

Ich eilte in westlicher Richtung an der Themse entlang, zum nördlichen Holztor mit den Doppeltürmen der London Bridge. Der Wächter im Wachhaus hatte die Zugbrücke bereits heruntergelassen, denn etliche Leute, vor allem Mägde, strebten zur südlichen Seite, zum Markt in Southwark. Unbehelligt ging ich über die Zugbrücke, inmitten der Menge, und passierte Wohn- und Geschäftshäuser, die schon im vorigen Jahrhundert gegen Mietzins darauf errichtet worden waren.
Mehrmals wurden wir Fußgänger von Reitern, Wagen und Eselkarren beiseite gedrängt. Der Wind war stärker geworden. Die Themse bäumte sich auf. Ihre Wassermassen schlugen gegen Wellenbrecher, die die Fundamente aus in den Flussboden gerammten Stämmen schützen sollten.
In dieses gewaltige Rauschen mischten sich hinter mir plötzlich erregtes Geschrei, Hufgetrappel und panisches Gewieher. Kutschpferde waren durchgegangen. Bevor ich ausweichen konnte, spürte ich einen schmerzhaften Stoß in die Seite und stolperte in eine schmale Lücke zwischen zwei Häusern. Andere folgten nach und drängten mich immer weiter an den Rand. Unversehens hing ich mit dem Oberkörper über der tosenden Themse und starrte mit geweiteten Augen hinein.


Seite 109 (aus Euphemias Chronik, Sommer 1346, während der Flucht, Zwischenfall in Maidstone, Grafschaft Kent)

Auf dem Markt vernahm ich unter den Leuten um mich herum Stimmen, die ich erst kürzlich gehört hatte, und blickte mich suchend um. Dabei sah ich sie, den Zisterziensermönch und seinen Novizen. Während ihre Reittiere, ein Pferd und ein Muli, geduldig an einem Brunnen warteten, standen sie vor den Auslagen einer Bäuerin, die Obst und Gemüse feilbot.
Unweit davon drängten sich Schweine in einem engen Pferch aneinander und zwängten ihre Schnauzen zwischen den Latten des Gatters hindurch. Es erschien mir etwas instabil. Trotz mehrfacher Ermahnungen, fernzubleiben, stellten sich wiederholt zwei Knaben auf die unterste Latte und neckten die Tiere mit Stöcken.
Während ich Brot, Käse und ein Stück Dörrfleisch kaufte, glaubte ich misstrauische Blicke auf mir zu spüren und widerstand nur mit großer Mühe dem Impuls, die Stadt ganz schnell zu verlassen. Das müsse ich mir einbilden, versuchte ich mich zu beruhigen. Wer achtete schon auf eine kleine Magd? Ich fiel doch bestimmt nicht auf im Getümmel, und meine Ausdünstungen gingen unter inmitten vielfältigster Düfte und Gerüche von allerlei Obst, Gemüse, Kräutern, aber auch Abfall und Fäkalien. Hatte ich mich in dieser kurzen Zeit des Alleinseins der menschlichen Gesellschaft so entfremdet, dass mich deren Anwesenheit dermaßen verunsicherte?


Seite 342 (aus Euphemias Chronik, im Kölner Heiliggeistspital, August 1350)

Ich flößte gerade einem Greis ein bisschen Brühe ein, als Hermine, eine meiner Mitschwestern, aufgeregt umherlief und überall verkündete, sie vermisse einen Schleier. Weil ich eben mit dem Versorgen des Alten fertig war, half ich ihr bei der Suche und meinte beschwichtigend, er würde sich schon finden, müsse ja irgendwo sein.
Arglistig beäugte mich Hermine. Ich wisse das offenbar ganz genau. Sie stachelte zwei Schwestern an, in unsere Kammer zu eilen und mein Bett zu durchwühlen. Machtlos stand ich daneben, als sie besagten Schleier fanden, wo Hermine oder deren Komplizinnen ihn versteckt hatten, unter meinem Kopfkissen. So viel Böswilligkeit hätte ich meinen schlimmsten Neidern nicht zugetraut – damals.
Zwar bemerkte ich ungläubige und mitfühlende Blicke von Schwestern und Pflegern. Die konnten mir aber nicht helfen oder wagten es nicht, aus Angst, der Mittäterschaft bezichtigt zu werden. Lauthals wurde nach der Spitalmutter gerufen, und im Handumdrehen führten zwei Schergen mich ab. Sie warfen mich in den Kerker und stellten mich vor Gericht. Alles verlief rasant, ich kam kaum zur Besinnung und beteuerte vergebens meine Unschuld. Der bei mir gefundene Schleier genügte als Beweis. Mir war, als legte er sich um meinen Hals und zöge sich zu. Konfrontiert mit den verächtlich auf mich herabblickenden Augen meiner Ankläger, brachte ich kaum ein Wort heraus und wurde im Eilverfahren verurteilt.


Seite 413/14 (aus Euphemias Chronik, im Pforzheimer Dominikanerinnenkloster, am Bach)

Einst, ich weilte seit etwa zwei Jahren hier, stand ich spätnachmittags am Bach und wusch mit angemessener Sorgfalt feinste Bettwäsche für die ehrwürdigen Ordensfrauen. Da kam ein Pilger aus dem fernen Morgenland vorbei, den die Reise auch ins Pforzheimer Dominikanerinnenkloster führte. Vertieft in meine Arbeit, blickte ich nicht auf. Als ich ihn endlich bemerkte, fragte ich mich, wie lange er mich schon beobachtete. Und war höchst irritiert. Denn was er sah, das konnte unmöglich ich sein, eine ärmliche Wäscherin in zerschlissenem Kleid.
Seine Augen leuchteten. Immer und immer wieder rief er etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Es dauerte lange, bis er in seiner Begeisterung meine Irritation bemerkte. Weil sein Gehabe mich ungeheuerlich anmutete, war ich im Begriff, alles liegen und stehen zu lassen und in den Konvent zu eilen.
Da verstand er endlich, was er in mir ausgelöst hatte, fiel auf die Knie und bat mich demütigst um Verzeihung für seine Begriffsstutzigkeit – auf deutsch. Wie ich bald erfahren sollte, war er ein Gelehrter und beherrschte etliche Sprachen. In jenem Moment wusste ich das aber nicht und harrte verständnislos aus.
Wie staunte ich, als er mir offenbarte, was er gerade gesehen hatte! Eine göttliche Jungfrau, umgeben von einem goldenen Strahlenkranz!

DIE SCHLOSSKIRCHE

Copyright alle Bilder bei Bertram Wolf

Die Geschichte hinter der Geschichte

Das Pforzheimer Dominikanerinnenkloster Maria und Maria Magdalena wurde von bußwilligen Prostituierten gegründet und im Jahre 1257 von Markgraf Rudolf I. von Baden erstmals urkundlich erwähnt.


Es befand sich ungefähr auf dem Gelände des heutigen Stadttheaters und wurde erst um 1365 in die Stadt integriert, durch eine Verlagerung der südlichen Stadtmauer bis zur Enz. Außer dem Herzstück, bestehend aus dem Konventbau und der Klosterkirche, umfasste die Klosteranlage vermutlich ein Wirtschaftsgebäude mit Scheune und Kornhaus, ein Redhaus, eine Bäckerei, ein Gesindehaus sowie einen weitläufigen Garten mit Fischteich und Hühnerhaus. Darüber hinaus verfügte es über Grundstücke, Höfe und Rechte in Pforzheim und Umgebung. Im Gegensatz zu den beiden Pforzheimer Männerklöstern war es den Dominikanerinnen erlaubt, Besitz zu haben.

Um die Mitte des 14. Jahrhunderts standen dem Kloster die Pfalzgräfinnen Luitgard von Tübingen und Luitgard von Asperg als Äbtissinnen vor. Etwa zu jener Zeit wurde tatsächlich eine Frau aufgenommen, die sich „Gertrud von Köln“ nannte. Ob sie in Wahrheit eine englische Königstochter war? Vieles spricht dagegen, aber völlig ausgeschlossen werden kann es nicht.
Wie auch immer – sie muss eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein. Wie hätte es sonst zu solch einer Verehrung kommen können? Nicht zuletzt das hat meine Fantasie beflügelt und mich zu diesem Roman inspiriert.

Überliefert wurde die Legende von „Euphemia“, der vermeintlichen Tochter Edwards des III., die angeblich einer ungewollten Vermählung entkommen wollte, um ihre Jungfräulichkeit für ihren himmlischen Bräutigam Jesus zu bewahren, durch den Dominikaner Friedrich Steill in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Dessen verklärte Darstellung entsprach selbstredend dem damaligen Zeitgeist.
Wie ich vermute, sollte „Euphemia“ dem Ideal einer Jungfer entsprechen und jungen Frauen als leuchtendes Vorbild dienen, vielleicht auch jene gefügig machen, die gegen ihren Willen den Schleier nehmen mussten.
Tatsächlich bot das Kloster gerade Frauen beachtliche Vorteile. Nur dort durften sie ihren Bildungshunger stillen und sogar Latein lernen, die Sprache der Gelehrten. Durch den Eintritt ins Kloster konnten Töchter versorgt werden, die nicht „unter die Haube“ zu bringen waren, aber auch nachgeborene und damit nicht erbberechtigte Söhne. Manch eine Familie erhoffte sich auch Gnade vor Gott durch die „Spende“ eines Kindes ans Kloster. Eine freie Lebensgestaltung nach heutigem Vorbild war im Mittelalter ohnehin nur ganz wenigen Privilegierten möglich. In der Regel fügten sich die jungen Leute.

Nach „Euphemias“ Tod, der Überlieferung nach um 1367, wurde sie vor dem Hoch- oder Herrenaltar in der Klosterkirche unter einer Grabplatte bestattet und fortan als Lokalheilige verehrt. In Notlagen bat man sie um Fürbitte bei Gott und erhoffte sich durch sie Hilfe, z. B. Heilung bei Krankheiten.

An Karfreitag 1408 brannte das Kloster bis auf die Grundmauern nieder. Nach dem Wiederaufbau wurde „Euphemia“ unter einem aufrecht stehenden Grabstein in der Klosterkirche bestattet, ihr Kopfreliquiar im Chor ausgestellt und weiterhin verehrt.
Wundersame Geschichten ranken sich um sie. So soll beispielsweise ein stark fieberndes Kind genesen sein, nachdem die Eltern es auf „Euphemias“ Grab gelegt hatten.

Mitte des 16. Jahrhunderts, nach der Reformation, wurde Pforzheim auf Geheiß des Markgrafen Karl II. lutherisch. Sein Kanzler, Dr. Martin Achtsynit, versuchte die Dominikanerinnen zum lutherischen Glauben zu bekehren – vergebens. Wie vehement sie sich acht Jahre lang dagegen widersetzten, hat die Nonne Eva Magdalena Neyler anschaulich in ihrer Chronik festgehalten.

Endlich wurden ihnen die Schikanen, denen sie ausgesetzt waren, aber doch zuviel. Die Dominikanerinnen erbaten Aufnahme im Kloster Kirchberg und verließen im September 1564 Pforzheim. Fast alles, was materiellen Wert besaß, mussten sie zurücklassen.
Den Schädel der heiligen Euphemia nahmen sie mit. 2012 wurde er in seinem Schrein nach Stuttgart überstellt, ins „Haus der Geschichte“. Dort kann man ihn noch heute besichtigen.

DER WAISENHAUSPLATZ

Copyright alle Bilder bei Bertram Wolf

Die Geschichte meines Lebens

Kindheit in England

Während ich diese Zeilen schreibe, frage ich mich, wer sie dereinst lesen wird. Wer seid Ihr, werter Leser, der Ihr meine Chronik gefunden habt?
Da meine Zeit auf Erden bald abgelaufen sein wird, werde ich wohl leider nicht erfahren, welch schicksalshafte Umstände sie Euch in die Hände gespielt haben oder ob jemand Euch den Weg zu ihr gewiesen hat. Womöglich ein Engel Gottes?
Ich bin nicht die, wofür man mich hier hält – und schon gar nicht bin ich das, wofür man mich hält.
Man kennt mich hier als Gertrud von Köln, aber das ist nicht mein richtiger Name. Meine wahre Identität kann ich nur diesem verschwiegenen Pergament anvertrauen, denn ich muss mich schützen. Man stellt mir nach. Es gibt Menschen, denen es schaden könnte, wenn ich die Wahrheit über mich offenbarte.
Nicht zuletzt deshalb habe ich mich vor ein paar Jahren in die ausgedehnten umliegenden Wälder zurückgezogen. In der Natur fühlte ich mich schon immer geborgen.
Trotzdem kehrte ich ins Pforzheimer Dominikanerinnenkloster zurück, weil … Doch halt, ich greife zu weit voraus.